Dienstag, 27. Dezember 2011

Kopfstände und andere sinnlose Übungen...

Mehr als ein Jahr habe ich nicht geschrieben. Nicht weil es nichts zu schreiben gäbe, sondern weil ich einfach nicht den Nerv dafür hatte. Und auch oft keinen Grund. Oder den Grund nicht gesehen habe. Oder ihn nicht sehen wollte.

Viel hat sich getan im letzten Jahr.

Klar musste alles irgendwann mal eskalieren. Das tat es auch. 2 Wochen vor Weihnachten. 

Begatterich hatte auf diversen Familienfeiern, die bei uns im Dezember stattfinden, so richtig gezeigt, was er so alles drauf hat. Und vertragen kann. Oder eben auch nicht.

Nach einer besonders schlimmen "Feier", auf der ich ihn dann irgendwann alleine gelassen habe und nach Hause bin, kam er dann auch und hat mir unter großem Getöse und Drohgebärden alle Fahrzeugschlüssel abgenommen. Schließlich wären das seine Fahrzeuge! Sind ja auf ihn zugelassen!!!

Hallo???!!!

Wer verdient denn hier das Geld und finanziert den ganzen Schmodder??!! Wie weit kämen wir wohl mit seiner kleinen Rente?!!!

Der Schlusspunkt für mich!

Ich setze am anderen Tag das einigermassen nüchterne Ehegespons davon in Kenntnis, dass ich ausziehe. Dass ich das Haus dem Makler übergebe und unseren Camper selbst verkaufe. Dass ich mir eine kleine Wohnung suche und er am besten meinem Beispiel folgt. Wenn er das nicht tut - sein Problem. Mir ist inzwischen alles so egal, dass meinetwegen das Haus dabei über die Wupper geht. Ich kann mich alleine gut ernähren - nach mir die Sintflut!

Irgendwie scheint meine klare Ansage Eingang in seine noch nicht zerstörten Gehirnwindungen gefunden zu haben. Nach ein paar Tagen des Nachdenkens - und das in erstaunlicher Nüchternheit - schwört er mir, dass er nie wieder einen Tropfen anrühren will!

Haha, selten so gelacht - vor allen Dingen, über einen Witz, den ich schon zu oft gehört habe!

Doch in der Zeit, die die Vorbereitungen brauchen, um unser bisheriges Leben mit allem Drum und Dran abzuwickeln (?!), zeigt er, wie ernst es ihm ist.

Nun ist er schon über ein Jahr trocken!

Was aber leider Gottes nicht heißt, dass der Alkohol nicht doch unser Leben bestimmt. Und das immer öfter!

Er ist konsequent und rührt nichts an. Und erinnert sich sehnsüchtig an die Zeiten zurück, als es noch anders war. Zeigt mit dem Finger auf alle Verwandten und Bekannten, die gern einen trinken. Ok, manche davon haben bestimmt ein ernstes Alkoholproblem. Muss man deswegen daraus ein Ranking machen? Hat er immer noch nicht kapiert, dass es hier nicht um andere, sondern nur um ihn geht? Dass die anderen auch alleine klar kommen müssen?

Unterschwellig kommt dabei die ganze Wut, der ganze Zorn zum Ausdruck, dass die trinken (dürfen), und er nicht! Und ein Neid, der Begatterich grün anlaufen lässt. Alles gipfelt dann in den Vorwürfen: "Ich habe hier noch nie richtig gefeiert! Alle anderen dürfen immer schön feiern, nur ich nicht! Und wenn doch mal, kamen am anderen Tag immer die Vorwürfe!!"

Mag ja sein. Ich habe halt wirklich keinen Bock darauf, auf solchen Feiern öffentlichkeitswirksam beschimpft, gedemütigt, bedroht und betrogen zu werden. Und seine anschließenden zerknirschten Entschuldigungen im stillen Kämmerlein ohne Publikum - die konnte er sich schon lange dahin schieben, wo es sehr dunkel, aber nicht windstill ist!

Bis heute habe ich es noch nicht geschafft, ihn dazu zu bringen, das zu sagen, was er tatsächlich meint: nicht "feiern", wenn er saufen meint. 


Er geht mit mir nirgendwo mehr hin ("Ich hab keinen Bock darauf, nur blöd daneben zu sitzen, wenn alle trinken und ich darf nicht!"), im Moment meidet er mich sowieso wie der Teufel das Weihwasser und unsere Campertouren - nun, da sind wir ganz weit weg davon!

Und so mache ich Kopfstände und Purzelbäume, versuche ihn zu besänftigen und beschäftigen, bin lieb zu ihm, obwohl ich ihn an die Wand knallen könnte, lobe ihn ob seiner Durchhaltekraft und verbiege mich auf alle nur denkbare Weise. Und ernte nur Ablehnung, Vorwürfe und Eiseskälte. Was er am anderen  Tag widerruft und sich mit Stress und psychischen Problemen entschuldigt. Um am darauffolgenden Tag dieses Spielchen erneut zu starten. Like a running gag...

Sonntag, 5. Dezember 2010

Brandzeichen im Hirn

Mitten in der Nacht werde ich wach. Aus dem Bad dringen Würgegeräusche, begleitet von heftigem Stöhnen. Mein erster Gedanke: ich hab gar nicht gerochen, dass er voll ist – normalerweise kann er meiner Nase nichts vormachen. Dann der nächste Gedanke: Ich habe in den letzten Wochen so oft gehört, wie er am würgen und erbrechen war, vielleicht ist er krank und ich habe ihm Unrecht getan, vielleicht hat dies gar nichts mit seiner Sauferei zu tun!

Ich springe aus dem Bett und laufe Richtung Bad. Die Tür ist offen, seltsamerweise ist es aber dunkel im Raum. Ich schiebe die Tür ganz auf und mache Licht an.

Den Anblick, der sich mir bietet, werde ich mein ganzes Leben nie wieder vergessen – er hat sich dauerhaft in meine Gehirnwindungen reingebrannt: Begatterich liegt, nur bekleidet mit Unterhose und Unterhemd, in der Badewanne. Das Licht, das ihn blendet, kann er nur bedingt abwehren, so sehr fehlt ihm die Koordination der Gliedmassen. Er stöhnt laut vor sich hin, während er mich debil und total weggetreten angrinst. Er ist nass, von oben bis unten verschmiert mit Kotze, Pisse und Scheixxe und stinkt entsetzlich.

Ich bin fassungslos und könnte ihn in dem Moment einfach nur kalt lächelnd erwürgen. Stattdessen flüchte ich einfach nach unten und mache mich auf die Suche nach seinem Stoff. Ich bin nämlich bis heute noch nicht dahinter gekommen, wo er seinen Nachschub versteckt. Diesmal aber stoße ich sofort auf eine fast leere Flasche Wodka – deshalb auch die fehlende Fahne…

Oben höre ich Gepolter und fließendes Wasser – anscheinend hat er sich aus der Badewanne gequält und steht unter der Dusche. Im Nachhinein hat er aber keinerlei Erinnerung mehr an diese Nacht...

Ich möchte nur noch ins Bett kriechen, die Decke über den Kopf ziehen, einschlafen und nie mehr aufwachen! Nimmt diese Scheixxe eigentlich nie mehr ein Ende?

Morgens quäle ich mich zur Arbeit und komme nachmittags total erschlagen nach Hause. Wie das personifizierte schlechte Gewissen steht Begatterich da und entschuldigt sich tausendmal unter Tränen. Es tut ihm leid, er weiß nicht, warum das passiert ist, es soll nie wieder vorkommen, er will mit mir in Urlaub fahren und sofort nach der Rückkehr endlich professionelle Hilfe in Anspruch nehmen… das üblich blablabla eines alkoholkranken Menschen, der mal eben wieder eine neue Grenze überschritten hat und nicht mehr weiterweiß… Aber, ich bin halt auch immer noch liebende Ehefrau und lasse mich, nein nicht überzeugen, aber überreden.

Und so fahren wir am anderen Tag zusammen in Urlaub – ich total zurückhaltend und skeptisch, er zerknirscht und bemüht, ja alles recht zu machen. 

Wir nehmen keinerlei Alkohol mit, er will explizit darauf verzichten.

Die erste Woche ist auch einigermaßen ok, obwohl nicht zu übersehen ist, dass er unruhig wird und die Stimmung immer einen leicht gereizten Unterton hat. Dann werden beim nächsten Einkauf die ersten 3 Flaschen Bier in den Wagen gepackt, zwar noch alkoholfrei, aber der Geschmack muss sein. In den nächsten Tagen verschwinden öfters kleine Geldbeträge aus meinem Geldbeutel (die ausländische Währung hab ich verwahrt) und auch er ist öfters mal plötzlich unauffindbar. Angeblich war er dann nur auf dem Platz, am Strand oder im Ort spazieren. Ich zieh ja die Hose nicht mit der Beißzange an und weiß, was die Uhr geschlagen hat…

Wir bringen den Urlaub so hinter uns – klar gibt es schöne Momente – aber so insgesamt gesehen ist die Stimmung einfach nicht besonders. Vorsichtig ausgedrückt. Ich merke jeden Tag, dass er nach Hause will, dass es ihn nervt, den ganzen Tag unter Beobachtung zu stehen. Er äußert auch seine Ansicht, keine 3 Wochen am Stück wieder wegfahren zu wollen, obwohl er es immer war, dem es nie lange genug gehen konnte. Aber die Prioritäten haben sich verschoben: nicht mehr der Urlaub, das Campen, die Zweisamkeit, das gemeinsam Erleben ist wichtig – Teufel Alkohol hat wieder voll die Kontrolle übernommen und er ist nicht mehr bereit und auch nicht mehr in der Lage, sich dagegen zu wehren.

Sehr deprimiert kommen wir nach 3 Wochen nach Hause zurück. Ich weiß, dass er die erste Nacht zu Hause wieder auf seiner heißgeliebten Couch verbringen wird – mit dem unbewachten Zugriff auf seinen Glücksbringer. Und natürlich enttäuscht er sich nicht – nur wieder mich…

To be continued…

… sagt Knubbel

Donnerstag, 18. November 2010

Selbstvorwürfe

Wie bescheuert bin ich eigentlich???!

Im Moment zerfleische ich mich mit Selbstvorwürfen, dass es nur so raucht. Warum lasse ich mich nur immer wieder so einwickeln…

Schon seit einiger Zeit habe ich nichts mehr geschrieben. Vielleicht wollte ich mir damit einfach nur ne heile Welt vorgaukeln…

Doch der Reihe nach:

Tagelang reden wir nichts miteinander und gehen uns aus dem Weg. Höchstens höre ich noch, wenn er sich mitten in der Nacht erbricht. Morgens bleibt er einfach liegen - sein Kater lässt auch nichts anderes zu. Als ich durch Zufall eines Abend meinem schwankenden Begatterich über den Weg laufe, platzt mir der Kragen. Ich sage ihm klipp und klar, dass ich die Trennung will, dass das Haus und der Camper verkauft werden und ich so schnell als möglich auch eine räumliche Distanz zwischen uns legen will. Keifend und spuckend gibt er mir in allen Punkten recht, denn: "Mit dir hält man es eh nur besoffen aus!"

Gut, dann wär dieser Punkt auch geklärt. Wundert es mich eigentlich noch, dass er, wie immer, für sein Versagen und seine Labilität andere Schuldige sucht?

Unseren geplanten Urlaub im September kann ich mir von der Backe putzen - glücklicherweise hab ich noch keinen Antrag bei meinen Cheffe gestellt. Als ob es mir einer gesagt hätte… Diese Tage brauch ich bestimmt noch für den Umzug!

Eines Abends kommt die Tochter mit Freund vorbei. Sofort zieht er sie auf die Seite, um ihr von den schlimmen Verhältnissen zu berichten: "Ach deine Mutter regt sich halt immer auf, wenn ich mal ein Bier trinke." Die Untertreibung des Jahrhunderts, wie immer halt…

Und wenn ich noch was an ihm hasse, dann ist es sein Sprechdurchfall: Erzähl ihm was, und es bleibt zwischen uns zweiunddreißig… Seine Mutter und seine Schwestern sind hundert pro schon über jedes Detail informiert - natürlich so modifiziert, dass er nur ein armer Hanswurst, ein Märtyrer ist, der mit so einer Xanthippe gesegnet ist.

Zwei weitere Tage vergehen mit eisigem Schweigen. Dann kommt eines Morgens in der Firma ein Anruf. Auf meinem Display sehe ich: Begatterich ist dran. Deshalb hebe ich schon gar nicht erst ab - ich kann im Moment einfach nicht mit ihm reden. Obwohl ich weiß, dass viele Dinge im Vorfeld geklärt werden müssen - immerhin lassen sich 20 Jahre Beziehung nicht so einfach abschütteln und vieles muss auseinander dividiert werden. Und da mein ich nicht nur die materiellen Dinge… *traurigbin*

Eine halbe Stunde später steht er plötzlich hinter mir. Nein, nicht mit einem Blumenstrauß - die Nummer hat noch nie gezogen - sondern mit einem zerknirschten Gesicht, einer Butterbrezel, einem Multisaft und einer dicken Entschuldigung: "Ich weiß wirklich nicht, warum ich alle diese Sachen zu dir sage, wenn ich betrunken bin."

"Da hab ich doch eine saugute Idee, wie wir das umgehen können: Ich hör es nicht mehr, wenn ich weg bin. Die andere Alternative, nicht mehr zu saufen, hältst du eh nicht durch."

"Ich liebe dich und will dich unter keinen Umständen verlieren. Ich will keine Trennung - ich will dich, will aufhören mit trinken und will mit dir in Urlaub fahren. Und wenn wir aus dem Urlaub zurück sind, geh ich wieder in Therapie, die hat mir schon mal geholfen."

Diese Vorstellung dauert noch einige Tage mit immer neuen Akten. Er erklärt mir auch, dass er oft zur Belohnung trinkt, dass dieses Glücksgefühl, etwas geschafft zu haben, ihn zur Flasche treibt. Zur Erklärung: Er arbeitet sehr viel am und im Haus, ist sehr fleißig und immer darauf bedacht, alles in Schuss zu halten, zu hegen und zu pflegen. Alles muss peinlich sauber und aufgeräumt sein - ich denke, er hat auch was von einem worcalholic.

Es kommt wie es kommen muss: ich lass mich weichklopfen und fange wieder an, zu glauben. Und reiche 1 Tag vor dem ursprünglich geplanten Urlaub doch meinen Antrag ein. Der Camper wird gepackt und abfahrbereit gemacht.

Nur ein Arbeitstag trennt mich noch von der heiß ersehnten Erholung - nicht ohne die ständige Angst vor einer schlimmen Enttäuschung, einem Absturz im Hinterkopf. Im Halbschlaf bekomme ich sogar noch mit, dass sich neben mir was rührt, dass Begatterich also mal wieder den Weg ins Ehebett gefunden und nicht die Nacht, wie immer, auf der Couch verbringt.

To be continued…

… sagt Knubbel

Montag, 30. August 2010

Wochenendfeeling

Na, das war mal wieder ein Wochenende, das mir gezeigt hat: es kann alles noch schlimmer werden!

Immer noch reden wir nur das Nötigste miteinander und gehen uns aus dem Weg, wo es geht. Er verbringt seine Nächte auf der Couch und wenn ich morgens zur Arbeit gehe, schläft er noch. Ob Rausch aus oder nicht - keine Ahnung - ich bin im Moment einfach nur desinteressiert. Und Begatterich offensichtlich auch, sonst hätte er vielleicht mal versucht, ein klärendes Gespräch anzuschieben.

Am Samstagmittag verschwand er mit seinem Roller. Den ganzen Nachmittag war ich nur am Hoffen und Bangen, dass er sich nicht wieder die Kante gibt und dann betrunken heim fährt.

Gegen Abend klingelte das Telefon: Eine Bekannte von unserem Dauerplatz (wir sind seit 2 Wochen wieder zu Hause) war dran.

"Knubbel, dein Mann sitzt hier und möchte gleich nach Hause fahren. Ich glaube aber, dass er ein, zwei Bier zuviel hat und nicht mehr fahrtüchtig ist. Könntest du ihn abholen?"

Alles ganz lieb gemeint - woher sollen diese Leute auch wissen, dass bei ihnen ein Alki am Tisch sitzt, der im Moment wieder voll drauf ist. Immerhin haben sie ihn so jahrelang nicht erlebt.

Ich also losgefahren und wollte ihn abholen. Begatterich hätte, glaub ich, lieber den Teufel als mich gesehen, als ich so plötzlich neben ihm stand. Und weigerte sich natürlich standhaft mit mir zu kommen. Erst durch intensiven Zuspruch der lieben Bekannten konnten wir ihn schließlich ins Auto verfrachten - sofort nach hinten, damit er keine Chance hat, mir ins Lenkrad zu greifen und natürlich mit Kindersicherung, um ein Aussteigen während der Fahrt zu verhindern.

Hier war mal wieder ganz viel Fremdschämen angesagt - auch wenn ich mich vehement gegen dieses Gefühl wehre, es behält immer die Oberhand!

Und ich denke nur noch an den Verkauf des Hauses und des Campers und an Trennung - ich hab wirklich bis Oberkante Unterlippe genug von dieser Scheiße!!!

...sagt Knubbel

Freitag, 27. August 2010

"Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann.
Den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann.
Und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden!"
Reinhold Niebuhr

Der Leitspruch der AA und Al-Anon.

Vor 10 Jahren hat mein Begatterich einen Entzug und eine Therapie gemacht. Um ihn zu unterstützen und um auch selbst etwas Unterstützung zu bekommen, fing ich an, in die Al-Anon Gruppenabende zu gehen. Doch so richtig behagte es mir hier nicht. Starre Regeln und sektiererisches Gehabe stießen mich ab. Es war mir alles zu reglementiert und zu unpersönlich.

Ich erwartete, dass ich mich so richtig auskotzen konnte - was bestimmt auch möglich gewesen wäre - doch alleine die Tatsache, dass eine Diskussion gar nicht möglich war, lies mich doch zurückschrecken. Ich konnte mich des Gefühls nicht erwehren, ein verbales Erbrechen wäre "ungezogen" gewesen. Hier herrschten leise, ruhige, abgeklärte Töne vor - und dabei war ich alles andere als ruhig und abgeklärt: in mir brodelte es, ich war verzweifelt und daran interessiert, mal mit irgendjemandem zu reden!

Erzählungen waren nur in streng festgelegter Reihenfolge und nach Wortmeldung mit Handhebung, wie in der Schule, möglich, Einwürfe und Zwischenfragen waren verboten, um den Erzählenden nicht zu unterbrechen. So hatten viele Fragen anschließend den Bezug verloren oder man hatte sie einfach vergessen.

Nach 5 oder 6 Abenden beschloss ich dann frustriert, mir diese Zeitverschwendung nicht mehr zu geben. Einen Abend hab ich als nächsten Versuch mit einer betroffenen Arbeitskollegin in der Kreuzbund-Gruppe verbracht - da waren mir zu wenig Angehörige und zu viel Trockene (oder auch nicht...) dabei, die erfahrungsgemäß ganz anders gelagerte Probleme haben, als dass ich für mich hätte etwas herausfiltern können.

Und so schleppe ich seit vielen Jahren nun viele unbeantwortete Fragen, viel schlechtes Gewissen und bestimmt viel Halbwissen mit mir herum. Ein echte Hilfestellung sieht bei mir anders aus - und ist meiner Ansicht nach auch für die Angehörigen extrem wichtig!

Was ich aber wirklich mitgenommen habe, ist dieser obige Leitspruch, der mir doch schon in einigen Lebenslagen geholfen hat!

...sagt Knubbel

Mittwoch, 18. August 2010

Druckbetankung

Es hatte sich alles so schön angelassen in den letzten 1 1/2 Jahren. Begatterich hatte beschlossen, sich nicht mehr zu betrinken. Konsequent setzte er es in die Tat um. Nur noch alkoholfreies Bier gab es zu Hause. Gingen wir aus - zum Essen oder auf eine Feier - war das erste Bier unkastriert, darauf folgte dann nur noch die alkfreie Variante oder gleich ein Wasser bzw. eine Cola.

Ich begann, das Ausgehen wieder zu genießen, auch luden wir wieder öfters Leute zu uns ein. Ab und zu genoss dann jetzt auch ich mal wieder ein Glas Wein (mehr war es bei mir sowieso nie, weil mir das zweite schon gar nicht mehr schmeckt), was in den letzten Jahren völlig undenkbar war. Erstens musste ja einer den Chauffeur spielen, zweitens war ein Glas vor mir immer ein Grund, seine Sauferei noch exzessiver zu gestalten: Wenn die was trinkt, darf ich wohl auch - so war immer seine Gewissensberuhigung...

In einem Gespräch mit meiner Schwester, die mit ihrem Mann das gleiche Problem hat (gibt es eigentlich noch Männer, die nicht saufen???), erklärte er seine Beweggründe, warum er sich keine Kanne mehr gibt: Er will keinen besoffenen Kopf mehr, keinen Stress mehr mit mir und endlich mal einen klaren Blick. Ein wunderbares Gespräch, aus dem mein Schwesterlein mit sehr ambivalenten Gefühlen nach Hause ging. Betrübt, dass bei ihrem diese Einsicht fehlt, hoffnungsvoll, dass diese vielleicht noch kommt, neidvoll, dass bei mir ein Ende des Tunnels zu sehen ist und beeindruckt, über die Ehrlichkeit der Beichte.

Ich war glücklich und entspannte mich. Das Zusammenleben wurde wieder lebenswert - ich hatte den Mann wieder, in den ich mich mal verliebt habe. Er brachte mich zu lachen, ich konnte mich auf ihn verlassen, er war fleißig, besorgt und liebevoll, ein wundervoller Freund, Partner, Ehemann und Opa (Unsere bzw. meine Kinder, sind bereits aus dem Haus, aber unseren Enkel im Alter von 6 Jahren lieben wir über alles und genießen ihn ausgiebigst. Und für den Zwerg ist Opa sowieso der Größte!!!). Endlich war Mister Hyde in der Versenkung verschwunden, nur noch Dr. Jekyll war anwesend!

Im Mai hatten wir großes Familientreffen von seiner Seite, die alle aus dem Münsterland angereist kamen. Und die meisten kannten ja nur den Mann, der nichts stehen lassen kann, bei jeder Feier am lautesten und immer am schnellsten betrunken ist. Kein Wunder - ich hab auch noch nie jemanden gesehen, der ein Bier so schnell inhalieren kann: ein Staubsauger ist ein Scheiß dagegen! Das hat schon was von Druckbetankung! Irgendwie hatte ich das Gefühl, er wollte seinem langjährigen Image gerecht werden - alles andere ist offensichtlich unmännlich... Und so erlebte ich zum ersten Mal seit längerer Zeit und dies gleich ein paar Tage hintereinander, wieder einen betrunkenen Mann. Nicht bis zur Bewusstlosigkeit abgefüllt, aber doch ganz schön angeschickert. Zutiefst verstört und beunruhigt verfolgte ich diese Tage - und mein Gefühl sollte sich bewahrheiten.

Für die Gäste hatte man echtes Bier gekauft, da war noch reichlich übrig. Das konnte man natürlich nicht schlecht werden lassen. Und schon ging auch wieder die Vertuscherei und das Versteckspiel los: Offensichtlich hatten wir einen Zauberkasten gekauft, der gar nicht leer wurde: die geleerten Flaschen wurden Tag für Tag durch volle ersetzt. Das geht ganz problemlos: ich bin vormittags beim Arbeiten, er ist krankheitshalber in Frührente. Praktisch, wenn man morgens Dinge erledigen muss, von denen der Partner nichts mitbekommen soll...

Es wurde noch einmal besser, als wir im Juni im Urlaub waren und mit unserem Camper durch die Gegend fuhren. Aber ich fühlte seine Unruhe und die unterdrückte Gereiztheit fast körperlich. Kaum zurück, gings auf unseren Dauerplatz. Hier treffen wir uns gerne mit einem befreundeten Ehepaar, die gerne dort urlauben. Beide trinken auch ganz gerne - da kann man natürlich in nichts nachstehen und muss zeigen, dass man nichts verlernt hat... Immer diese verdammten Imageprobleme!!!

Besonders schlimm war für mich dann die Entdeckung, dass er in 3 Wochen mindestens eine Kiste Bier (Zauberkasten...) geleert hat. Höre ich hier nachsichtiges Lachen oder sehe ich ein gelassenes Abwinken? Dieses Bier hat er in der Mittagszeit getrunken, wenn er schnell nach Hause fuhr, um die Post und Zeitung zu holen und den Garten zu wässern. Wie viel er jeden Tag auf dem Platz vernichtet hat, entzieht sich meiner Kenntnis, da er in weiser Voraussicht seinen Stoff beim Nachbarn deponiert hat. Ich weiß nur, dass er jeden Tag voll war.

Auch die Hemmung, sich in so einem Zustand ans Steuer zu setzen, ist verschwunden. Ich spiele echt mit dem Gedanken, die Bullen zu verständigen, wenn ich es mal nicht mehr schaffe, ihm den Schlüssel ab zu nehmen.

Gespräche sind nicht mehr möglich, da jede Einsicht fehlt, aber auch das normale Zusammenleben hat sich verabschiedet. Er schläft nur noch auf der Couch und der Sex ist lausig, wenn er denn überhaupt stattfindet. Das liegt aber auch an mir, da ich schon vor Jahren abgelehnt habe, mit einem besoffenen Mann ins Bett zu gehen. Diese gefühllose Rammelei kann ich mir schenken...

Das Highlight war aber vor ein paar Tagen: Er musste zur Arbeit (er arbeitet ehrenamtlich ein bis zwei Vormittage die Woche bei einem gemeinnützigen Verein), rief mich aber zu meiner Verwunderung schon gegen 11 Uhr in meiner Firma an. Sofort gingen bei seiner Begrüßung sämtliche Alarmlampen an: hohe Stimme, zu viele "Schatzi"s, Lispeln und verwaschene Sprache. Seine Erklärung auf meine Nachfrage: er hätte seine Zähne rausgenommen. Ahhhh ja! 20 Minuten später der nächste Anruf - da gab es keinen Zweifel mehr! Sein Chef hat ihn angeblich nicht gebraucht. Ob er mit ihm oder zuhause gebechert hat, weiß ich bis heute nicht - ist mir im Grunde genommen auch egal.

Er hatte das Auto dabei, er musste mich also um 13 Uhr abholen. Wer nicht kam, war er. Ich mich also zu Fuß auf den Weg gemacht, weil mir klar war, dass er mit Sicherheit schlief - er ging nämlich auch nicht ans Telefon. Kurz vor der letzten Straße kam plötzlich das Auto angefahren. Sofort stellte ich mich auf die Fahrerseite und zwang ihn, auf den Beifahrersitz zu wechseln. Kaum, dass er mich richtig fixieren konnte. Anfangs hatte er noch ein debiles Grinsen im Gesicht, doch es ging nicht lange, da hatte der aggressive Mr. Hyde wieder die Oberhand. Unter verbalen Angriffen und Beschimpfungen verrichtete ich meine Besorgungen und überstand die Heimfahrt.

Da ich ihm die Autoschlüssel abgenommen habe, gings zum Nachtanken mit dem Bus in die Stadt. Verwunderlich, dass er schon gegen 19 Uhr wieder heimgefunden hat. Aus unserem geplanten Mittagessen gehen ist natürlich nichts geworden. Und seither rede ich kein Wort mehr mit ihm - ich ignoriere ihn völlig. Seit gestern versucht er wieder die Annäherung, doch ich blockiere. Ich denke ernsthaft über den Verkauf unserer Immobilie und des Campers mit einer nachfolgenden Trennung nach. Und das, nachdem ich mich, traumatisiert, nie wieder scheiden lassen wollte!

Warum mich das alles so aufwühlt und entsetzt? Seit 20 Jahren lebe ich mit einem Alki, der mal mehr, mal weniger trinkt, der auch schon lange Zeiten trocken hinter sich gebracht hat. In der ganzen Zeit, in der er getrunken hat, hat er aber immer erst abends angefangen, hat nie seine Arbeit vernachlässigt und war, zumindest tagsüber, immer zuverlässig. Mit dieser neuen Qualität (?) des Trinkens kann ich mich, aber so gar nicht, abfinden!

...sagt Knubbel

Montag, 16. August 2010

Am Anfang war das Wort...

Ich brauche dieses Blog, brauche einfach eine Stelle, an der ich mich so richtig ausko**en kann.

Ja, es gibt ein anderes Blog - ein Blog, das viel gelesen wird, vor allen Dingen von Leuten, die mich kennen. Und wenn man immer nur über heile Welt berichtet, kann man plötzlich nicht mehr zurück. Im Lauf der Zeit vertritt man eine Image, aus dem man nicht mehr raus kommt. Selbst Personen, die mich sehr gut kennen, würden nie auf die Idee kommen, was für Höllentage ich manchmal erleben muss - oder wie mein Ehegespons wirklich drauf sein kann. Ich sage bewußt nicht "ist", aber er kann!

Fakt: ich bin mit einem Alkoholiker verheiratet. Es ist meine zweite Ehe und die dauert nun annähernd 20 Jahre. Erst durch ihn habe ich überhaupt den Blick darauf, wieviele Säufer und solche, die extrem gefährdet sind, es überhaupt gibt. Dieses Problem stellte sich bei meinem EX nicht. Damit will ich allerdings nicht sagen, dass ich den zurückwünsche - wahrlich nicht! Der war auch süchtig - süchtig nach Frauen (ich bin mir nicht sicher, ob es nicht auch manchmal Männer waren - zumindest war der Verdacht nicht on der Hand zu weisen...). Alles, was nicht bei 3 auf dem Baum war, außer Igel und Bratpfannen, wurde flach gelegt. Doch das ist ein anderes Thema...

Saufen gehört offensichtlich zum guten Ton, zumindest wirkt der Gruppenzwang. Mein Begatterich gibt mir das Gefühl, in Gesellschaft, insbesondere von männlichen Gleichgesinnten, "nein" zum Alk sagen, wird gleichgesetzt mit dem Verlust der Eier. Dass für uns, die mit dieser Spezies leben müssen, das umgekehrte Szenario gilt, verneinen die Herren der Schöpfung genauso ungläubig wie vehement!

Und so verliere ich langsam jegliche Achtung vor meinem Mann - ich halte ihn für einen Schwächling, WEIL er nicht "nein" sagen kann.

Er hatte einen Vater, der immer betrunken war. Unter dieser Situation hat er als Kind sehr gelitten. Was ihn aber nicht daran gehindert hat, kaum dass er selber ne Flasche richtig halten konnte, diese auch zu leeren.

Ich weiß, ich weiß... warum bin ich überhaupt mit ihm zusammen. Nun, wenn man jemanden kennen lernt, insbesondere in einer lockeren Umgebung mit vielen Leuten und derjenige ist lustig und gut drauf, dann macht das Spaß. Und da ich bis zu diesem Zeitpunkt keinerlei Erfahrung mit Trinkern gemacht hatte, konnte ich die Situation natürlich auch nicht einschätzen. Ich wußte überhaupt nicht, auf was ich mich einließ und bin völlig blauäugig in dieses Szenario geschlittert.

Zwischenzeitlich bin ich gut 50 Jahre... ok, ich bin schon näher an 60... und da fällt es immer schwerer, die eingefahrenen Gleise zu verlassen und wieder in ein neues Leben aufzubrechen. Zu allem Unglück liebe ich dieses Musterexemplar von ganzem Herzen - zumindest den nüchternen Gemahl... Man hat sich zusammen was aufgebaut, hat Familie - mir fallen noch hunderte Ausreden ein, warum ich immer noch keine Konsequenzen ziehen kann und will. Und eines ist auf diesem ganzen Weg nie verloren gegangen, auch wenn sie oft verschüttet war: die Hoffnung. Es waren Jahre dabei, in denen sie absolut berechtigt war und um die ich froh bin, dass ich sie erlebt habe. Doch im Moment ist die Situation mal wieder total verfahren. Und eskaliert.

Doch darüber das nächste Mal mehr...

...sagt Knubbel